Bestattungskultur im Wandel der Zeit
Die Urnenfelderkultur ist die am weitesten verbreitete mitteleuropäische Kultur der späten Bronzezeit. Sie dauerte von etwa 1300 bis 800 vor Christus und verdankt ihre Bezeichnung der Bestattungssitte. Die Toten wurden verbrannt, ihre Asche in Tongefäße gefüllt und in angelegten Friedhöfen beigesetzt. Nähere Informationen findet man heute auch im Stadtmuseum.
Zur Römerzeit wurden die Toten bis Anfang des 4. Jahrhunderts verbrannt. Betuchte Römer ließen ihre Asche in Grabmonumenten oder Sarkophagen aus Tuff beisetzen, die sie an den Wegrändern der Römerstraßen noch zu Lebzeiten aufstellen ließen. Eine große Zahl dieser Grabmäler wurde in Neumagen/Mosel gefunden u. a. das römische Weinschiff, das an einen verstorbenen römischen Winzer oder Weinhändler erinnerte.
In unserer Gegend nutzen die Römer die großen Tuffvorkommen im Krufter Bachtal und im Brohltal nicht nur als Baumaterial oder Weihesteinen, sondern auch zur Herstellung von Tuffsarkophagen, in die sie den Leichenbrand in Keramikgefäßen beisetzten. Das Römerbergwerk Meurin bei Kretz gilt hierfür als gutes Beispiel. Auch im Stadtmuseum kann man sich das Muster eines solchen Grabes ansehen.
Behältnisse aus Glas, in die Aschereste eingefüllt waren, fand man auf römischen Friedhöfen an der K 88 z. B. „Am Seifenpfad“, wie in der Stadtchronik Mülheim-Kärlich von Winfried Henrichs beschrieben. Auch im Stadtmuseum kann man die Lage solcher Friedhöfe anhand von Plänen nachvollziehen.
Reiche Römer ließen sich mondäne Grabmäler errichten. Besonderes Beispiel ist die Igeler Säule im Ort Igel/Mosel bei Trier. Es handelt sich um ein Pfeilerdenkmal aus rotem Sandstein, das 23 m hoch ist, mit Reliefs reich geschmückt und ehemals bunt bemalt war. Um 250 n. Chr. ließen zwei reiche Tuchhändler die Säule für die Unterbringung der Leichenbrandreste für sich und ihre verstorbenen Angehörigen errichten. Seit 1986 gehört die Igeler Säule zum Unesco-Welterbe.
In der Zeit ab 450 v. Chr. waren Grabhügelbestattungen der keltischen Führer mit zweirädrigen Streitwagen charakteristisch, wie Winfried Henrichs in der aktuellen Stadtchronik von Mülheim-Kärlich schreibt (beziehbar zum Preis von nur 15 € im Stadtmuseum). Allein acht Wagengräber wurden beim Bimsabbau zwischen Kärlich und dem Guten Mann entdeckt. „In Grab 3 sollen die Radreifen noch aufrecht gestanden und zwischen ihnen Schädelteile gelegen haben. Gefunden wurden auch ein Goldring, eine Fibel und ein Reiterfigürchen. Eine Besonderheit ist ein gebogenes Bronzeblechfigürchen mit glänzender Oberfläche sowie sieben Nagellöchern, ein Zierbeschlag von einer hölzernen Unterlage.“ Auch im Stadtmuseum gibt es hierzu passende Informationen.
Grabhügelbestattungen waren in der keltischen Zeit charakteristisch. In der Mülheimer Gemarkung „Auf dem Hahnenberg“ im Industriegebiet wurde beim Bimsabbau ein keramisches Gefäß aus der Hügelgräberbronzezeit um 1.500 Jahre v. Chr. gefunden. Das Original befindet sich in der archäologischen Sammlung auf der Festung Ehrenbreitstein. Im Stadtmuseum kann man eine Nachbildung bewundern.
In einem Kärlicher Gräberfeld aus der Latènezeit wurden mehrere Schnabelkannen aus Bronze als Grabbeigabe gefunden. Die Originale befinden sich in der archäologischen Sammlung auf der Festung Ehrenbreitstein.
Der Mülheimer Kasper Lammert war seinerzeit „Vertrauensmann der rheinischen Vor- und Frühgeschichte“. Am 3. März 1960 dokumentierte er die Ausgrabung eines römischen Friedhofes in der Flur 16, Auf dem Distelberg“, 80 m westlich vom neuen Mülheimer Friedhof und beschreibt es weiter als „römisches Grab aus dem 4. Jahrhundert aus der Zeit des römischen Kaisers Konstantin“. Das Grab zeigt die menschlichen Überreste nach einer Ganzkörperbestattung mit zahlreichen Gefäßen, die dem Toten wahrscheinlich in gefüllter Form beigestellt oder -gelegt wurden. Bekanntlich hat Konstantin, der zeitweise in Trier residierte, dem christlichen Glauben zur Durchsetzung verholfen. Damit war auch die Hoffnung an die Auferstehung der Toten verbunden. Die Toten wurden folglich nicht mehr verbrannt, sondern mit ihrem ganzen Körper bestattet.
Fundstücke und Dokumentationen des Kasper Lammert findet man auch im Stadtmuseum.
Winfried Henrichs schreibt 2009 in der Stadtchronik Mülheim-Kärlich, dass die Tradition der „Kreuzemächer“ weit in die Vergangenheit zurückreicht. Vor etwa 500 Jahren seien vergängliche Holzkreuze weitgehend durch Kreuze aus den Mühlsteinbrüchen von Mayen und Mendig aus dem gleichmäßigen, feinporigen, dunkelgrauen bis schwarzen Lavagestein geschlagen worden.
Der Friedhof der Pfarrei Kärlich lag bis in das Jahr 1787 um die Kärlicher Kirche. Da Mülheim seit historischer Zeit immer Filiale der Pfarrei Kärlich war, wurden die Verstorbenen auch in Kärlich beerdigt. Beispiele hierfür ist das Basaltkreuz des Anthonius Schwan, das heute im Innenhof des Mülheim-Kärlicher Stadtmuseums steht. Dieses Kreuz ist auf der Rückseite mit drei Blumen in einer Vase, ferner mit Eckvoluten und Rosetten kunstvoll gestaltet. Es zeigt ferner mit zwei gekreuzten Dreschflegeln den Beruf und die Hausmarke des Verstorbenen.
Informationen aus dem Stadtmuseum und aus dem Bericht des Kärlicher Pfarrers Josef Schmitt im Heimatbuch Mülheim-Kärlich ist zu entnehmen, dass die Friedhöfe ursprünglich außerhalb der Ortschaften angelegt waren, in Kärlich an der Heeresstraße und in Mülheim am Hang des Senser Berges. Zusammen mit der ersten Kirche in Kärlich, so Franz-Josef Risse und Lothar Spurzem in der Festschrift Pfarrkirche und Pfarrei St. Mauritius Kärlich zur 800-Jahr-Feier, dürfte ein Friedhof, der Kirchhof, unmittelbar am Ostchor der Kärlicher Kirche angelegt worden sein. Wie sich aus Grabinschriften ergibt, wurden auf diesem Friedhof auch die Verstorbenen der Kärlicher pfarrlichen Filialen Mülheim und Weißenthurm bestattet, da diese Ortschaften laut Visitationsberichten aus dem Jahr 1762 „keinen Taufstein und auch keinen Friedhof“ besaßen.
Der gemeinsame Friedhof der ehemaligen Mutterpfarrei Kärlich lag bis zum Jahr 1787 um die Kärlicher Kirche. Als der Platz um die Kirche für eine immer größer werdende Zahl von Gräbern nicht mehr ausreichte, entstand der Friedhof an der Kettiger Straße in Kärlich, wird von Franz-Josef Risse und Lothar Spurzem in der Festschrift 800 Jahre Pfarrei Kärlich aus dem Jahre 2017 berichtet. Ein anderer Grund war das kurfürstliche Gesetz vom 30. März 1778, das vorschrieb, die Begräbnisstätten außerhalb der Städte und Dörfer anzulegen. Am 2. Juli 1787 segneten der Kärlicher Pfarrer Adam Schmitz und Frühmessner Anton Ackermann den neuen Friedhof ein. In die Umfassungsmauern des Friedhofes wurden abgehende Grabsteine ehemals Kärlicher Bürger aus dem Friedhof an der Kärlicher Kirche eingemauert. Clemens Wenceslaus Wilmart, ein Mitglied aus der kurfürstlichen „Gärtnerdynastie“ aus Kärlich starb am 31. Juli 1787 und wurde am darauffolgenden Tag, am 1. August als Erster auf dem neuen Friedhof begraben, wie im Handbuch „Hofkünstler und Hofhandwerker am kurtrierischen Hof in Koblenz/Ehrenbreitstein“ berichtet wird.
Da Mülheim am 2. Juli 1887 zu einer eigenständigen Pfarrei erhoben wurde, stellte sich auch die Frage eines eigenen Friedhofes. Er wurde im Herbst 1898 in der Bassenheimer Straße angelegt. Die Mülheimer wurden nun aufgefordert, die abgängigen Grabsteine ihrer Toten vom Kärlicher Friedhof herbeizuschaffen, damit sie zur Einmauerung in die Umfriedung verwendet werden konnte. Die Einweihung erfolgte am 4. Dezember 1898 durch den ersten Pfarrer Heinrich Roedelstürtz. Am 13. Dezember 1898 fand die erste Beerdigung statt.
Der gemeinsame Friedhof der ehemaligen Mutterpfarrei Kärlich, zu der auch Mülheim gehörte, lag bis zum Jahr 1787 um die Kärlicher Kirche. Heinrich Degen, ein begabtes Naturtalent, schnitzte, malte, schrieb und dichtete. Im August 2006 rekonstruierte er wahrscheinlich aus Erinnerungen aus seiner Jugendzeit des Jahres 1937 (er war gerade 10 Jahre alt geworden) den Fund eines Frankengrabes vor dem Ostchor der Kärlicher Kirche. Diese Rekonstruktion hat er in einer kolorierten Zeichnung mit der Fundstelle im Kärlicher Kirchweg festgehalten, die er dem Stadtmuseum überlassen hat und dort besichtigt werden kann. Aus reichlichen Bestattungsbeigaben, wie Waffen, Schalen und Krügen schloss er auf einen einflussreichen Franken.
Bei der Sanierung eines Hofes in der Mülheimer Bahnhofstraße wurde ein Grabstein gefunden, der mit der Schrift nach unten im Boden lag und mit der Rückseite als Wegbefestigung diente. Der Grabstein trägt den Namen Gertrud Schneider, Lehrerin in Mülheim, * 24. Juni 1843 + 6. Juni 1894. Nachforschungen in der „Kleinen Schulgeschichte von Mülheim“, die zum 50jährigen Bestehen der Schule Annastraße im September 1983 von Lehrerin Antje Pinkemeyer und Rektor Friedrich Flöck herausgegeben worden war, ergab, dass die Lehrerin Gertrud Schneider von 1869 bis 1894, also 25 Jahre im Schuldienst tätig war. Schulgebäude in Mülheim waren damals der Kastorhof in der Kärlicher Straße und ab 1879 zusätzlich die unter der Verwaltung des Bürgermeisters Hubaleck erbaute Schule in der Poststraße (heute Stadtmuseum). Den Grabstein findet man heute im Stadtmuseum.
Vor einigen Jahren wurde dem Stadtmuseum der Grabstein der Familie des Dr.med. Fervers übergeben. Über der Grabinschrift steht ein ca 1.70 m großer weißer Engel, der wohl im Hinblick auf die im Alter von 10 Jahren verstorbene Tochter angebracht worden war. Dr. med. Fervers war in Anbetracht seiner medizinischen Verdienste der Ehrentitel „Sanitätsrat“ verliehen worden. Er war geboren am 26. Juni 1864 in Kempen (Rheinland), studierte in Greifswald und Bonn und ließ sich nach ärztlichen Tätigkeiten in Bonn im Jahre 1891 in Mülheim als Arzt nieder. Wie Winfried Henrichs in seinem Buch über Mülheim-Kärlich von 1981 schreibt, war Dr. Fervers von 1909 bis 1924 der erste ärztliche Leiter des ehemaligen Mülheimer Krankenhauses, das auf Initiative des ersten Mülheimer Pfarrers Heinrich Roedelstürtz gebaut wurde. Dr. Fervers starb am 22. August 1927, also vor rund 90 Jahren. Den Grabstein findet man heute im Innenhof des Stadtmuseums.
Fotos: Oswald Senner
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